Gerüchte aus FerreCôteau

Einheimische


"Wer? Ach, der gnädige Herr... jaaa, der is' schon richtich. Wenn ich das mal mit sein' Bruder vergleichen
tu, is' das schon bessa gewor'n seit der wech is'. Klar, wir Gemeinen schuften immer noch tagein, tagaus,
aber wenigstens nehm' uns jetz die Legionäre nich' mehr die Töchter wech..."
Ein Höriger aus Ferrecôteau

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"Der junge Herr? Na, ich will mal nix sagen, aber früher unter dem Bruder vom jungen Herrn war’s schon besser. Sicher, die Legionäre sind raue
Burschen, aba immerhin haben wir's dem alten Herrn zu verdanken, dass uns die Etrakliner nich' so gebeutelt haben, wie die anderen Provinzen...
Und er war immer gerecht, jeder bekam die rechte Strafe, wenna wat angestellt hatte. Heute, unter dem jungen Herrn, wird nich' mehr soviel bestraft, aba dafür muss man aufpassen, dat einem nich' die Frau verschwind'n tut..."
Ein anderer Höriger

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"Ferrecôteau? Man hört ja so einiges von da... Es heißt, der feine Herr da würde den Tag damit zubringen, die jungen hübschen Töchter der Bauern zu verführen, je jünger, je lieber, und sie dann in ihrer Misere sitzen lassen... Außerdem soll er den Legionären freie Hand gegeben haben, bei den Frauen der Bauern."
Ein Bauer einer anderen Provinz

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"Nunja, die Mine läuft gut, was will man mehr? Die Geschichten, die sich die Bauern erzählen, entbehren natürlich jeglicher Grundlage. Genausogut könnte man behaupten, der junge Seigneur wäre ein Vampir. Lächerlich. Wie bitte? Nein, im Ernst, einem Mann von eurem Rang gebührt sich doch solcher Aberglaube nicht..."
Ein Mitglied des Hofstaates in Ferrecôteau

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"Was? Was soll die Fragerei? Habt ihr eine Erlaubnis? Zeigt her... Gut, scheint echt zu sein... Was wollt ihr wissen? Die Mine? Na, wenn ihr mich fragt, geht es dem Abschaum noch viel zu gut. Tote? Klar gibt's da Tote. Man muss ja schließlich Ordnung in den Haufen bringen, außerdem zählen die sowieso nix, sind eh' nur unnütze Fresser... Ach, Ihr meint die Gefangenen?"
Ein Minenwärter

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"FerreCôteau ist ein ehrenwerter Herr. Er unterstützt die Kirche der Mutter mit großzügigen Spenden. Ich bin sicher, die Mutter wird ihre schützende Hand über ganz Ferrecôteau halten. Zölibat? Warum sollte man so etwas törichtes tun? Ja, auch die Frauen des Seigneurs sind sehr gläubig, sie sind mit ihm zumindest bei jeder Messe... Ja, auch tagsüber habe ich sie schon gesehen, warum fragt ihr?"
Ein Geistlicher Mere de Lunes

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"Der Herr is' schon ein feiner Kerl, egal was die annern sagen. Ich hab' gehört, er hat einige Familien, die irgendeine Krankheit hatten, von sein' Leibarzt untersuchen lassen und sie dann auf seine Kosten im Eglise-Kloster in Sangcoeur untergebracht, damit sie wieda in Ordnung kommen..."
Der Wirt einer Dorfschänke in Ferrecôteau

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"Ich darf nicht mit Euch reden, Herr. Wenn die Wachen etwas merken, werde ich wieder ausgepeitscht... Nein, Ihr k
Ein Gefangener in der Mine

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"Die Arbeit ist schon schwer, aber seit die Gefangenen die Stollen vorantreiben und wir nur noch das Erz hauen, ist sie wenigstens
einigermassen sicher. Ja, stimmt schon, manchmal gibt’s Ärger mit denen, aber die Wachen haben das eigentlich immer schnell im Griff. Und der, der Ärger gemacht hat, macht mit Sicherheit anschließend keinen mehr..."
Ein Arbeiter in der Mine

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"Besucher? Jaaa... manchmal kommt Domna Natasha Vlodazegh zu Besuch. Man sagt ja übrigens, sie sei Schwanger..."
Ein Bediensteter am Hofe

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"Was es mit der Herrin Danielle-Luise auf sich hat, weiß man nicht so recht: Sie ist vor einigen Jahren quasi aus dem Nichts erschienen und hat den jungen Herrn geheiratet. Man munkelt, sie sei eine Etraklinische Spionin..."
Eine Dienerin am Hofe

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"Die Familie der de FerreCôteaus hat in den letzten Jahren einiges durchstehen müssen. Zum einen das seltsame Verschwinden des Bruders des jungen Herrn. Man sagt, er sei über Nacht nur mit seinen Waffen und seinem Lieblingshengst verschwunden. Dann der Wahn der älteren Schwester und zuletzt die schwere Krankheit seiner Mutter. Der Vater ist ja bereits in den Unruhen um den letzten Etraklinischen Krieg gestorben. Dann haben wir da noch die Bestie, die seit einigen Jahren an der Quelle des Blutflusses ihr Unwesen treiben soll. Angeblich hat sie bereits einen ganzen Zug Legionäre vernichtet... Aber das sind sicher nur lächerliche Gerüchte..."
Der Haushofmeister der de FerreCôteaus

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"Ihr versucht wohl mich auszuhorchen, häh? Und was schreibt der da? Zeigt mir das sofort her..."
Ein Legionär auf der Bastille de Prunier

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"Ja, die Cousine der neuen Baronin war in letzter Zeit öfter hier zu Besuch. Hübsches junges Ding, aber 'n bißchen dürr. Sie soll mit dem Herrn über einen Verkauf der Todesmine an Sangcoeur geredet haben, jedenfalls haben sie sich sehr oft zu vertraulichen Beratungen zurückgezogen... meint Ihr, die Darragesher tun mehr Safran in ihre Pasteten?"
Die Köchin der Bastille







Reiseberichte über FerreCôteau

Aus dem Reisebericht einer Galladoorner Dame

Wir verlassen Sanglant Coeur mit etwas Wehmut im Herzen. Die liebliche Landschaft mit ihren Weinbergen und sanft geschwungenen Hügeln wird uns fehlen. Wir wenden uns nach Norden zum Blutfluss, um unseren Weg nach Ferrecôteau zu finden. Kirsons Gesicht ändert sich von Jahr zu Jahr. Die Fällerei und das Köhlern rasieren die dichten Flächen stetig und überziehen das Land mit dem Rauch aus den Meilern, so dass ein Weg vor wenigen Jahren noch durch dichten Wald führte, heute aber durch vereinzelte Felder und weite Fluren. Der erste Abschnitt unserer Reise jedoch ist mir aus früherer Zeit noch sehr gut im Gedächtnis, und so erreichen wir schon bald den Blutfluss.

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Um den Blutfluss ranken sich bei den abergläubischen Einheimischen viele Legenden und Sagen. Einiges kann der kundige Reisende als lächerlichen Mumpitz abtun, offenbar dazu gedacht, Fremde zu erschrecken, anderes allerdings mag ein Körnchen Wahrheit in sich tragen. So behauptet eine der Legenden beispielsweise, dass der Blutfluss rot vom Blut der Minenarbeiter sein soll, die unter den gnadenlosen Peitschenhieben der Ork-Aufseher das wertvolle Eisenerz aus dem Berg kratzen müssen. Eine andere Geschichte berichtet, dass die Farbe des Flusses vom Blute der abgelegten Liebhaber und Liebhaberinnen der ansässigen Adeligen herrühre. Tatsächlich erinnert die Farbe des Wassers an ein rötliches Braun, stammt jedoch wohl eher von den eisenhaltigen Schlämmen aus der Eisenmine, als von echtem Blut...

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Wir reiten etwa einen Tag von Sanglant Coeur aus gemächlichen Schrittes den Blutfluss stromaufwärts entlang, bis sich die Landschaft in Ferrecôteau abrupt ändert. Wir erreichen jetzt die ersten Ausläufer der großen Barriere, dem Gebirge, dass sich zwischen Thaskar und Kirson erhebt und dessen einziger Pass auf kirsonischem Territorium liegt, was sicherlich die große strategische Bedeutung Kirsons und damit die heftigen Kämpfe erklärt, die lange Jahre des Krieges zwischen Thaskar und Etraklin mit sich brachten.

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Die Landschaft Ferrecôteaus ist von Wäldern und Hügeln geprägt. Im Norden, nahe der Quelle des Blutflusses, liegt die Mine, die von den einheimischen "Todesmine" genannt wird. Wenn wir aber etwas weiter südlich einem Seitenarm des Flusses folgen, gelangen wir zur 'Bastille de Prunier', dem Heim der Herren Ferrecôteaus. Bei diesem Bauwerk handelt es sich um eine Burg aus den alten Tagen Kirsons, die im Laufe des thaskarisch-etraklinischen Krieges mehr als einmal geschleift wurde. Sie wurde dann vor ca. 200 Jahren wieder aufgebaut und modernisiert. So wurden ihre Verteidgungsanlagen um einen der neuen doppelten Wassergräben erweitert, die Mauern nach dem Wissen der Baumeister neu errichtet und ein großes Magazin, das heute nur noch gelegentlich zur Unterbringung von Waffen und Legionären dient, gebaut. Übrigens heißt es, dass sich unter der Festung ein geheimer Keller befindet, der von den Landesherren gern dazu genutzt wird, dort unbequeme Gefangene verschwinden zu lassen... Die ehemals vielen Pflaumenbäume, die der Festung ihren Namen verliehen, sind in den Kriegsjahren leider dem Holzbedarf der etraklinischen Besatzer zum Opfer gefallen. Vielleicht aus Wehmut, vielleicht aus einem anderen Grund, jedenfalls sind die de Ferrecôteaus geradezu versessen auf Pflaumen. Philippe-Thierry de Ferrecôteau hat in den letzten Jahren mehrfach versucht, dort wieder Pflaumenbäume anzusiedeln, bislang jedoch ohne Erfolg.

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Die Herren Ferrecoteaus folgten in ihrer kulturellen Ausrichtung nicht immer durchgehend einer der beiden in Kirson vorherrschenden Strömungen. Weder waren sie grundsätzlich der darragescher Kultur verhaftet, noch der alt-kirsonischen. So war etwa der letzte Herr der Bastille de Prunier, Geraume de Ferrecôteau, ein glühender Verfechter der alt-kirsonischen Linie, während sein jüngerer Bruder Philippe-Thierry, der jetzige Herrscher, eher der darragescher Linie folgt. So hat denn auch in den Mauern der Festung mit der Übernahme der Herrschaft durch Philippe-Thierry, die Leichtlebigkeit nach dem Vorbild des Barons Robert de Léoumie, wieder Einzug gehalten. Eine andere Tradition, der die de Ferrecôteaus allerdings von jeher folgten, ist ihre strenge Eglise-Gläubigkeit. Obwohl es keineswegs Tradition in Kirson ist, einen Eglise-Priester am Hofe zu haben, gibt es einen solchen auf der Bastille de Prunier, worin sich die Wichtigkeit des Glaubens für die herrschende Familie ablesen lässt. Auch ist es so, dass von den, für kirsonische Verhältnisse erklecklichen Einnahmen der Provinz, ein erheblicher Anteil an die Eglise abgeführt wird. Die de FerreCôteaus können also, neben Baron Robert de Léoumie, auf dessen eigenen Ländereien ja bekannterweise das Hauptkloster der Eglise liegt, zu den großen Wohltätern der kirsonischen Staatsreligion gezählt werden.

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Wir erreichen die Bastille kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als wir durch das breite Tor hineinreiten, das von zwei mächtigen Rundtürmen flankiert wird, sind wir von der relativen Nüchternheit des Bauwerkes überrascht. Vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Landstriches, der Familie und Philippe-Thierrys im besonderen, scheint es ungewöhnlich, dass man hier eine geschäftige, ja arbeitsame Atmosphäre vorfindet. Das Ganze wird jedoch glaubhaft, wenn man bedenkt, dass der Reichtum der Provinz im wesentlichen von der Eisenmine herrührt, deren Leitung natürlich Arbeit erfordert. So lernen wir denn auch den Seigneur dieser Provinz als einen Mann kennen, der sich nicht nur seinen beiden Frauen und den Vergnügungen widmet, sondern auch viel Zeit mit Arbeit verbringt. Gerade deshalb scheint es aber auf der Bastille wichtig zu sein, auch zu feiern. Hier feiert man prunkvolle Feste zu verschiedensten Anlässen. Ferrecôteau ist die einzige Provinz Kirsons, in der man noch an dem alten Brauch der Nacht der Narren festhält, einem Fest, in dessen Verlauf ein spielerischer Wettstreit zwischen Diener und Adeligem ausgetragen wird und das in einer rauschenden Ballnacht endet, während der die Grenzen zwischen den Ständen verwischen, wie man sagt. Gerade das scheint in einem Land, in dem das Standesbewusstsein so ausgeprägt ist, wie in Kirson, zwar verwunderlich, trübt die Feierlichkeiten aber in keinster Weise.

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Der relativ große Reichtum Ferrecôteaus rührt im wesentlichen von der Eisenmine und den in Ferrecôteau ansässigen Handwerkern, wie Schmieden, Köhlern, Holzfällern, aber auch Hüttenkundigen und Prospektoren her. So ist auch das erste, das dem Reisenden in Ferrecôteau auffällt, die Vielzahl der Rauchsäulen von Köhlermeilern in den Wäldern, sowie die Tatsache, dass fast jeder Weiler einen Schmied o.ä. beherbergt, wohingegen die klassische Landwirtschaft eher unterrepräsentiert scheint.

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Die Eisenmine Ferrecôteaus dient heute zusätzlich als Straflager, in das sowohl Kriegsgefangene, als auch ordinäre Verbrecher verlegt werden, sofern man sie nicht sofort dem Henker überantwortet. Da aber auch normale Arbeitskräfte dort ihr Tagewerk verrichten, hat es sich eingebürgert, dass die gefährliche Arbeit des Stollentreibens von Gefangenen erledigt wird, während der eigentliche Abbau in den bereits gesicherten Stollen den Lohnarbeitern vorbehalten ist. Nichtsdestotrotz ist die Arbeit in der Mine gefährlich. Der Name "Todesmine" mag von den sich schon fast mit Regelmäßigkeit ereignenden Grubenunglücken herrühren, oder aber von der schon sprichwörtlichen Härte der Gefangenenwärter, die dazu führt, dass nicht selten ein Gefangener während der Arbeit sein Leben einbüßt. Eine weitere Erklärung mag sein, dass es trotz aller Sicherheitsmaßnahmen immer wieder zu Übergriffen der Gefangenen gegenüber den Arbeitern kommt, die häufig mit dem Tod des Arbeiters, aber auch des Gefangenen enden...

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Die meisten der adeligen Familien Kirsons gaben im Laufe der Kriegsjahre ihre Besitzungen auf und flohen ins Ausland. Diese Familien folgten hunderte Jahre später dem Ruf des Grafen und kehrten zurück nach Kirson. Andere Familien blieben und überlebten mehr schlecht als recht. Eine dieser Familien waren die de Ferrecôteaus, die ihre Mine mal unter thaskarischer, mal unter etraklinischer Herrschaft führten.